Im
Folgenden finden Sie einige häufig gestellte Fragen an Michael
Maschka, deren Beantwortung zu einem besseren Verständnis
seines Schaffens beitragen können.
Warum sind Sie Künstler?
Wenn man einmal von der ganz frühen Kreativität absieht,
die im Grunde jedes Kind irgendwann einmal durchlebt, und die
natürlich noch keine im höheren Sinne künstlerische
Qualität beinhaltet, hatte ich im Alter von etwa 17 Jahren
eine intensive Begegnung mit der Kunst, die eine Art "coming
out" in mir bewirkte. Danach wusste ich, dass ich auf jeden
Fall Künstler werden wollte. Ich war damals schon sehr gut
trainiert, was das Zeichnen anging, die Welt der Farben aber war
mir zu diesem Zeitpunkt noch rätselhaft und musste erst erschlossen
werden. Also ging ich in die Lehre bei praktizierenden Künstlern,
die mir dann die Grundlagen der Malkunst vermittelt haben.
Ich denke, dass es viele Menschen gibt, die interessante Bildideen
haben oder auf der imaginativen Ebene weit entwickelt sind - was
aber den Künstler letztlich ausmacht, ist nicht die schiere
Bildidee, sondern ein ausgeprägter Wille, diese Ideen und
Vorstellungen in ein Objekt zu übertragen und sie damit zu
einem Teil der objektiven Wirklichkeit zu machen. Dieser Wunsch
kann soweit gehen, dass man in dieser selbst geschaffenen Welt
sogar leben möchte, in ihr buchstäblich drinnen stehen
möchte. Dieser Wunsch führt dann unweigerlich zum Gesamtkunstwerk,
das alle Sinne einbezieht und nicht zuletzt eine bestimmte Blickrichtung
oder Perspektive, und schließlich auch eine Welt-Anschauung
beinhaltet. Solche Künstler, die ich als Artifex bezeichnen
möchte, gehören zu den wenigen Genies, die meist multitalentiert
sind und vor keiner Kunstgattung Halt machen, besonders nicht
vor der Baukunst, die ja gewissermaßen alle anderen Künste
in sich einschließt.
Einmal zuende gedacht, beinhaltet dieser Gedanke auch etwas Beängstigendes:
das Gesamtkunstwerk könnte zu einer Art Total-Kunst mutieren,
mit totalitärem Anspruch! In solchen Zusammenhängen
wird deutlich, dass Kunst ebenso wie Wissenschaft nicht frei ist
von ethischen Grundsätzen, sich also keineswegs in einem
wertneutralem Raum bewegt.
Was ist Kunst?
Diese Frage ist so alt wie die Menschheit und ich sage Ihnen hier
und heute voraus: sie wird nie beantwortet werden, und - sie darf
auch nie beantwortet werden! Denn diese Frage zu beantworten hieße
Kunst zu definieren, und genau das wäre dann das Ende der
Kunst! Denn Kunst ist niemals etwas Abgeschlossenes... sie ist
in ständiger Wandlung begriffen und lässt sich daher
nur umschreiben oder charakterisieren. Sie wächst nicht nur
mit den Menschen, sie schrumpft auch mit den Menschen, besonders
in kunstarmen Zeiten und Epochen. Ihr Wesen ist die Veränderung!
Kunst spiegelt einerseits den Zeitgeist, andererseits weißt
sie über ihn hinaus, indem sie Entwicklungen vorwegnimmt
und eine Perspektive auf die Zukunft eröffnet. Dies erscheint
paradox und doch ist gerade diese Tatsache das Geheimnis der Kunst.
Die Frage nach dem Wesen der Kunst ist auch in meinem Leben allgegenwärtig,
und dennoch stelle ich sie mir während der Arbeit nur selten,
sondern folge zunächst nur meiner Inspiration. Erst im Nachhinein
rückt sie wieder ins Bewusstsein, nämlich in der Betrachtung
des vollendeten Werkes. Dann allerdings frage ich mich, ob der
Inhalt meines Werkes nicht nur für mich, sondern auch für
andere bedeutsam sein kann, ob der Inhalt meiner Vision eine gewisse
Allgemeingültigkeit besitzt. Denn dies halte ich für
ein wichtiges Merkmal der Kunst.
Warum Schönheit?
Die Frage nach der Schönheit in der Kunst oder ganz
allgemein ist gerade in der heutigen Zeit nicht leicht
zu beantworten. Ich denke, Schönheit ist nach wie vor eine
Domäne der Kunst, und es ist vor allem die Aufgabe der Künstler,
sie zu pflegen und zu bewahren. Zu dieser Aufgabe gehört
auch, eine intelligente Antwort zu geben auf die Frage: Was ist
schön? Denn auch Schönheit ist, wie die Kunst selbst,
nichts Endgültiges und keineswegs unveränderbar. In
der Antike wusste man: das Schöne ist göttlichen Ursprungs
und daher eine Brücke, die zum Ewigen, zum Wahren, zum Guten
führt. Man spürte, dass der Mensch nur noch über
das Schöne mit dem Göttlichen in Verbindung stehen konnte,
und in diesem Sinne war die Hingabe an das Schöne eine Art
Re-ligio. Der Unterschied zum heutigen Verständnis besteht
darin, dass Schönheit nicht als etwas Äußeres
aufgefasst wurde, sondern eine spirituelle oder idealistische
Komponente enthielt. Das Äußere war nur ein Abglanz,
quasi das Sinnbild einer inneren Wahrheit, die sich in der Schönheit
der Form, des Klanges etc. dem Auge oder allen anderen Sinnen
darbot. Im Gegensatz zum heutigen Menschen, sah der Mensch der
Antike in der Schönheit viel mehr als nur die physisch-körperliche
Erscheinung, daher war Schönheit im eigentlichen Sinne auch
nicht vergänglich. Nur die Hülle, die Form war der Zeit
unterworfen, nicht aber der Inhalt. Der Mensch der Gegenwart dagegen
sieht nur das Äußere, und gerade das führt dazu,
dass er Schönheit als etwas Unwahres, etwas Verlogenes begreift.
Wir misstrauen der Schönheit, weil wir das Ewige, das Wahre
in ihr nicht mehr erkennen. Dagegen erleben wir, besonders in
der modernen Kunst, eine Hinwendung zum Hässlichen, zum Unschönen,
das nach antikem Verständnis mit dem sogenannten Bösen
zusammenfällt. Hier entsteht nun ein seltsames Paradoxon:
indem wir dem Hässlichen als Spiegelbild der Realität
einen höheren Wirklichkeitsgehalt zusprechen, negieren wir
nicht nur das Schöne, sondern auch die Existenz einer geistigen
Realität. Nichts spiegelt die Befindlichkeit unserer gegenwärtigen
Welt-Auffassung und Welt-Anschauung mehr als diese Tatsache. Tiefer
kann man als Mensch und Künstler nicht sinken, als dass man
dem Hässlichen mehr Wahrheit zugesteht als dem Schönen.
Der Künstler befindet sich hier in einer Art Dilemma, denn
auch er muss das Hässliche als Teil der Wirklichkeit akzeptieren
ohne gleichzeitig dem Dienst an der Schönheit zu entsagen.
In dieses Spannungsfeld ist er hineingestellt, aufgefordert, diesen
Widerspruch aufzulösen, denn diese Problematik berührt
die tiefsten Wurzeln seiner Existenz.
Ich persönlich versuche dieser Tatsache Rechnung zu tragen,
indem ich dem Schönen in meinen Bildern immer ein Quantum
Hässlichkeit hinzufüge, nach dem Goethe-Prinzip: Das
Gute taugt nicht ohne den Vergleich! Zudem bemühe ich mich
in der Darstellung um größtmögliche Objektivität,
betrachte das Bild immer auch als Forschungsobjekt und lasse alles
Persönliche so weit wie möglich in den Hintergrund treten.
Warum Nacktheit?
Der Mensch als geistiges Wesen ist umgeben von Hüllen. Die
erste Hülle ist sein Körper, dann kommen Kleidung, Behausung
oder Architektur, und schließlich der soziale Raum. Der
soziale Raum wiederum bestimmt die Werte-Hierarchie, die angibt
und beurteilt, was darstellungswürdig ist am menschlichen
Körper oder wie der Mensch sich öffentlich zeigen darf.
Kopf und Hände zum Beispiel stehen in dieser Hierarchie an
oberster Stelle, weil sie gemeinhin als Körperteile gelten,
die den Menschen am deutlichsten vom Tierreich unterscheiden und
das eigentliche Menschsein ausmachen. Andere Körperteile
dagegen sind weniger gern gesehen, am wenigsten diejenigen, die
wir als primäre Geschlechtsmerkmale bezeichnen. Die Darstellung
von Nacktheit in der Kunst war immer problematisch und wurde zeitweise
nur geduldet in der idealistischen Überhöhung, etwa
in der Abbildung mythologischer Figuren. Dagegen ist - mit Ausnahme
der modernen Kunst - kein einziges Nackt-Portrait in der gesamten
Kunstgeschichte überliefert.
Die Tabuisierung der Nacktheit an sich oder einzelner Körperteile
lehne ich grundsätzlich ab, weil ich der Meinung bin, dass
der Körper nicht negativ gesehen werden sollte, sondern dass
wir im Gegenteil dazu aufgerufen sind, den positiven Blick auf
die Schönheit und Perfektion unserer Leiblichkeit einzuüben.
Denn nichts am Körper ist ohne Sinn, die Füße
sind nicht weniger wert als die Hände, das Innere bedingt
das Äußere, das Höhere das Niedere usw.
Natürlich, und das ist der eigentliche Grund für die
Tabuierung der Nacktheit, ist der nackte Körper eine Projektionsfläche
für die eigene Sexualität und spiegelt unsere grundsätzliche,
individuelle wie soziokulturelle Einstellung zu ihr. In meiner
Bildwelt ist der unverhüllte Körper ein Symbol für
den Menschen in seiner gottgegebenen Natürlichkeit, aber
auch Verletzbarkeit. Die Seele erscheint in Gestalt der Anima,
also als weibliche Figur, und ist für mich als männlicher
Künstler auch eine Projektionsfläche meiner eigenen
unbewussten weibliche Seite. Wenn ich also Nacktheit darstelle,
dann nicht weil ich ein pornographisches Interesse (Porne = Hure)
verfolge und den letzten Winkel des weiblichen Körpers ausleuchten
will, sondern weil ich etwas ausdrücken möchte, das
gerade über das Körperliche hinausgeht, also das rein
Körperliche transzendiert und auf etwas Geistig-Seelisches
verweist. In diesem Sinne stehen die weiblichen Figuren in meinen
Bildern selten für sich selbst sie repräsentieren
immer eine bestimmte Facette der menschlichen Seele.
Welche Wirkung erhoffen Sie sich von Ihren Bildern?
Die Wirkung von Kunst ganz allgemein ist immer rätselhaft,
denn es wirkt ja nicht nur das Werk selbst, sondern alle möglichen
anderen Faktoren, wie Umgebung, Situation, Zeitgeist und natürlich
auch dasjenige, das der Betrachter des Kunstwerkes, der sog. Rezipient,
selbst mitbringt und in das Werk hinein projiziert. Wirkung ist
also keine Einbahnstrasse sondern eher eine Art wechselseitige
Resonanz, ein Miteinander-Schwingen. Zunächst aber muss einmal
von einem Kunstwerk ein Impuls ausgehen, der im Betrachter etwas
auslöst, einen Prozess in Gang bringt, und zwar auf der emotionalen
Ebene, weil sonst das Interesse nicht erwachen kann. Wenn wir
im richtigen Leben einer langweiligen, nichtssagenden Person begegnen,
haben wir auch kein Interesse mit ihr einen Dialog zu beginnen
oder uns in sonst einer Weise auf sie einzulassen. Kunst darf
also niemals langweilig sein oder gar zu sehr in sich abgeschlossen
(hermetisch), weil sie sonst keine Aufmerksamkeit erregt und der
Dialog niemals beginnen kann. Wenn der Betrachter mit dem, was
er in das Kunstwerk hinein legt, es eigentlich erst vollendet,
dann wird jedes Bild oder Objekt zu etwas Einzigartigem, dann
kann eine fruchtbare Beziehung entstehen. Nach meiner Erfahrung
ist dies nur möglich, wenn das Bild einen konkreten Gegenstand
oder eine Figur enthält, die mir als Betrachter einen Einstieg
ermöglicht... bei abstrakten Bildern ist dies nur selten
möglich, weil das menschliche Bewusstsein immer das Konkrete
sucht.
Ist der Einstieg erst einmal gefunden, bietet das wahre Kunstwerk
die Gelegenheit, in immer tiefere Schichten vorzudringen. Mir
ist dabei wichtig, dass in meinen Bildern spürbar wird, dass
sich hinter der äußeren sinnfälligen Wirklichkeit
weitere Realitäten befinden, die sich dem nüchternen
Verstand nicht ohne weiteres erschließen. Das sind z. B.
die Geheimnisse und Rätsel, die uns umgeben. Oder auch das
Unbewusste. Dieses Unbewusste mit dem Bewussten zu verknüpfen
und damit bewusstseinsfähig zu machen, das ist meine Absicht.
Warum malen Sie fotorealistisch?
Einige
behaupten, meiner Kunst fehle die Seele, weil sie zu perfektionistisch
sei. Dem möchte ich erwidern: Hat Kunst nur dann Seele, wenn
sie aussieht wie mit dem linken Fuß gemalt? Liegt Seele
im Dilletantismus, im Unvollkommenen?
Ich male zwar fotorealistisch, bilde aber niemals nur die äußere
Wirklichkeit ab. Der realistische Gegenstand weist in meinen Bildern
immer über sich selbst hinaus und steht für etwas anderes,
das auf eine geistige oder seelische Realität hindeutet.
Die Darstellung ist auch deshalb realistisch, weil ich mich um
größtmögliche Objektivität bemühe und
meine Interpretationen der Wirklichkeit über das bloß
Subjektive hinausheben möchte. Der individuelle Gegenstand
soll für etwas Höheres, etwas Allgemeineres stehen...
für etwas, das nicht nur mich, sondern alle etwas angeht.
Je konkreter und realistischer ich meine Aussage formuliere, desto
glaubwürdiger erscheint meine Mitteilung in den Augen der
Rezipienten. Das ist das Geheimnis und die unverminderte Kraft
der realistischen Kunst.
Lehnen Sie andere Kunstrichtungen ab?
Nein,
ganz im Gegenteil! Ich bin der Meinung, dass die Kunst immer dann
scheitert, wenn alle in die gleiche Richtung gehen. Die Gleichschaltung
der Kunst im sogenannten Mainstream ist gleichzeitig ihr Ende!
Das ist wie in der Wissenschaft - auch hier wirkt die konkurierende
Theorie belebend und treibt die Entwicklung voran. Wir leben in
einer pluralistischen Zeit, in der es unterschiedliche Ausdrucksformen
geben muss. Welche dann am Ende siegreich oder stilbildend ist
und die Zeiten überdauert, wird die Geschichte zeigen. Grundsätzlich
gilt, dass auf jeden Impuls ein Gegenimpuls erfolgt, und in dieser
Pendelbewegung schreitet die Entwicklung voran.
Gibt
es eine Botschaft in Ihren Bildern?
Eine
Botschaft im Sinne einer Message gibt es nicht. Ich bin Künstler
und kein Postbote, der eine Nachricht überbringt! Aber eine
Mit-Teilung gibt es sehr wohl! Der Wunsch, meine Gedanken, Vorstellungen
und Empfindungen mit meinen Mitmenschen zu teilen, ist eine bedeutende
Triebfeder meiner Arbeit. Im Allgemeinen sehe ich es wie Goethe,
der einmal gesagt hat, Kunst sei eine Vermittlerin des Unaussprechlichen.
Sogar er, der Meister der Worte, hielt es für eine große
Torheit, Kunst durch Worte vermitteln zu wollen. Natürlich
lässt sich über Kunst sprechen, und das soll ja auch
so sein, aber den eigentlichen Kern der Sache erfasst man damit
nicht.
Ich
selbst stelle mir immer wieder die Frage, inwiefern es für
mich bedeutsam ist, von meinem Publikum verstanden zu werden.
Anders ausgedrückt: steht am Anfang meines Schaffens der
Wunsch, eine bestimmte Aussage zu machen, und diese dann während
des Malens in eine "lesbare" Bildsprache zu übersetzten?
Ich glaube nicht. Gewiss, es gibt Themen in meinen Bildern, aber
im Vordergrund steht doch immer das Bild als solches, und nicht
irgendeine Botschaft. Das Bild selbst ist die Botschaft, die Bilder
sind es, die aus einer Quelle sprudeln, dir mir selbst unbekannt
ist. Wichtiger noch als die "Message" eines Kunstwerkes
ist für mich der eigentliche Schaffensakt, der Prozess, in
dem sich eine Idee kristallisiert und allmählich Gestalt
annimmt.
Es gibt ja in der modernen Kunst genügend Vertreter einer
eher bildfeindlichen Haltung, allen voran Joseph Beuys, der die
Malerei für tot erklärt hat. Für ihn stand die
Botschaft im Vordergrund, alles andere schien ihm nicht so wichtig
zu sein. Kunst war für ihn nur eine Art Bühne, auf der
er seine Gedanken verkünden konnte. Bei mir ist es eher umgekehrt.
Mir geht es mehr um die Schöpfung an sich und die Freude,
die ich dabei empfinde, dass sich meine Vorstellungen in meinen
Kunstwerken materialisieren. Diese Freude möchte ich mit
anderen teilen.
Ich denke, das Rätsel warum Kunstwerke entstehen und was
die Künstler letztlich antreibt, Kunstwerke zu schaffen,
wird sich nie vollkommen ergründen lassen. Die Motive sind
sehr unterschiedlich und ein gemeinsamer Nenner ist nur schwer
zu finden. Am ehesten gelangt man vielleicht zu einer Antwort,
wenn man auf die Anfänge der Kunst zurückblickt und
sich dabei die Frage stellt, warum es überhaupt so etwas
wie Kunst in dieser Welt gibt. Schließlich zieht der Mensch
keinen unmittelbaren Nutzen daraus, Kunstwerke zu betrachten oder
sie zu schaffen. Ich glaube, es hat viel mit Magie zu tun und
setzt ein Bewusstsein der Einheit dieser Welt voraus, in materieller
wie in geistiger Hinsicht. Kunst ist insofern eine Art "Trostpreis"
für den Verlust der unmittelbaren Erfahrung einer geistigen
Welt, die sich unserem Bewusstsein zugunsten einer anderen, mehr
stofflichen, physischen Wirklichkeit weitgehend entzogen hat.
Noch sind wir nicht in der Lage, beide Wirklichkeiten in einer
einzigen zu integrieren, aber gerade das macht die Faszination
von Kunst aus, dass sie dazu in der Lage scheint. In der Kunst
wird ein künftiges Bewusstsein exemplarisch vorweggenommen
und auf spielerische Weise eingeübt. Dies setzt aber eine
künstlerische Leistung voraus, vergleichbar der Integration
der Aktivitäten beider Gehirnhälften, wie sie bei der
Produktion von Kunstwerken wissenschaftlich nachgewiesen wurde.
Das künstliche und aufgesetzte Spektakel um die Kunst, das
wir heute oftmals erleben müssen, hat damit nur wenig zu
tun. Das dient eher dazu, die eigentlich notwenige Entwicklung
zu bremsen, weil sich viele Menschen davon abgestoßen fühlen
und am Ende den Zugang zur Kunst verlieren.
Lässt sich der Prozess der Bildentstehung näher beschreiben?
Am
Anfang steht oft eine wenig konkrete Idee, eine Empfindung, die
sich allmählich visualisiert. Sie ist quasi das Staubkorn,
um das herum sich alles Schritt für Schritt kristallisiert.
Es entsteht ein geistiges Energiefeld, in dessen Sog nun vieles
hineingerät, das zu Beginn der Arbeit gar nicht in Betracht
gezogen wurde - Fundstücke, die nach dem Serendipitätsprinzip
zu wahren Entdeckungen werden. Wer noch an den Zufall glaubt,
für den mag er bei diesem Vorgang eine bedeutende Rolle spielen.
Dennoch, ganz ohne Mühe geht es nicht, denn der Zufall begünstigt
nur einen vorbereiteten Geist und die Erkenntnis fällt einem
nur scheinbar wie beiläufig zu.
Gibt es einen Fortschritt in der Kunst?
Eines
jedenfalls ist sicher: Die Kunst scheitert immer dann, wenn sie
zu konformistisch ist. Kunst lebt von der Unterschiedlichkeit
der Perspektiven, vom Widerstreit ihrer Protagonisten. Ähnlich
wie in der Wissenschaft behält sie ihre Gültigkeit solange,
bis sie durch eine höhere Erkenntnis ersetzt oder widerlegt
wird. Nur so kann sie ihre bewusstseinsfördernde Wirkung
entfalten. Der Fortschritt besteht darin, dass sich der Fokus
unserer Wahrnehmung beständig verschiebt und sich dadurch
dem Menschen immer neue Realitäten erschließen. Dasjenige,
was auf der einen Seite neu dazu gewonnen wird, geht auf der anderen
Seite verloren. Je tiefer wir in den Mikrokosmos eindringen, umso
mehr verlieren wir das Bewusstsein für die großen Zusammenhänge...
für das große Ganze. Das ist der Preis, den wir zu
zahlen bereit sein müssen, zumindest vorübergehend.
Die totale Synopse scheint derzeit nicht möglich, weil unser
Bewusstsein dafür nicht vorbereitet ist.
Egal
wie die Antwort auf diese Frage auch ausfällt, einen persönlichen
Fortschritt gibt es auf jeden Fall. In meiner Kunst findet dieser
Fortschritt einen Widerhall durch die bewusste Anwendung der Wiederholung.
Mithilfe dieses Stilmittels werden einzelne Elemente meiner Bildsprache
in späteren Bildern bewusst zitiert oder paraphrasiert, um
die Prozesshaftigkeit der Bildentwicklung zu dokumentieren. Alles
ist im Fluss, und auch die Bilder stehen nicht isoliert nebeneinander,
sondern gehen eins aus dem anderen hervor.